Dichtung und Wahrheit

Meinungsfreiheit

 

Ob Talkshows, öffentliches Streiten,

ein Opponent gehört dazu:

Das Nein muss jeden Plan begleiten,

Rhetorik glänzt im Interview.

 

Man kann sie hören und auch lesen.

Du staunst, wie sie mit Kennermienen

und leeren Worten, flachen Thesen,

mit Dummgeschwätz ihr Geld verdienen.

 

Minister Schwätz tritt in Erscheinung.

Der Besserwisser braucht Ermahnung:

Er hat zum Thema ganz viel Meinung,

doch davon keine blasse Ahnung.

 

 

 

RETRO

 

 

Moral, Respekt, Intelligenz

sind heut‘ nicht mehr im Trend,

nicht mal als modische Tendenz.

Ich habe wohl die Zeit verpennt.

 

Zum Glück beweist des Lebens Lauf:

Der Zeitgeschmack zwingt neue Liebe.

Dann wird die Nachwelt wieder wild

 auf ausgestorb’ne Retrotriebe.

 

 

 

Der Eichbaum

 

 

Die Krone strebt zum Himmel,

verwurzelt fest im Boden.

In ihm pulsiert das Leben,

gefüllt mit Episoden.

 

Im Schatten dieses Baumes

verweilt ein alter Mann.

Er lauscht dem Blätterrauschen.

Ob er‘s verstehen kann?

 

Der Eichbaum könnte plaudern,

wovon ein Buch nicht spricht.

Es bleibt wohl sein Geheimnis,

und das verrät er nicht.

 

Er könnte auch erzählen,

wovon Geschichte schweigt.

In hundert Jahresstürmen

hat er sich nie geneigt.

 

Der Greis mit weißen Haaren

zeigt keine Reaktion.

Doch Jahre wissen mehr als

der Bücher Illusion.

 

Voll Ehrfurcht horcht der Alte.

Er kennt Bescheidenheit.

Wovon der Baum berichtet,

war seine Lebenszeit.

 

Die Borke voller Risse,

und knorrig jeder Ast.

Der Stamm kennt mehr Historie

als Schreiber je erfasst.

 

Das Blattwerk raschelt weise,

es sah, was Welten treibt.

Der Alte ahnt die Wahrheit:

„Erfahrung ist, was bleibt:

 

Die Spuren in der Rinde

hat meine Zeit gestanzt.

Ich weiß um sein Geheimnis,

denn ich hab ihn gepflanzt.“

Tausendjährige Eiche von Ivenack -

                   Staunen und Nachdenken im Jahre 2018:

Mächtigster Mann der Welt

 

Am Atomknopf ergötzt

er sich drohend ad hoc.

Der Taugenichts setzt

eine Welt unter Schock.

 

Wer ist DER alte Narr,

der nach Sexspielen giert

und die große Gefahr

eines Weltkriegs riskiert?

 

Der sich Mauern bestellt,

Handelskriege entfacht?

Der die Presse verprellt,

offen lügt für die Macht?

 

Milliarden ererbt

und ergaunert den Rest,

edler Haarschopf, gefärbt,

von der Wahrheit gestresst.

 

Fragen stellt der Jurist,

ein Psychiater schweigt still.

Der senile Narzisst

twittert stur, was er will.

 

Was das Weltklima braucht? -

Milde lächelt der Tor.

Sehr schnell untergetaucht

bleibt sein Land außen vor.

 

Sein Gehirn sprüht nur Gift,

ohne Seele und krank.

Hämisch hebt er den Stift,

unterschreibt stolz den Zank.

 

Für Massaker und Mord

weiß der Waffenfreak Rat:

„Mit mehr Waffen vor Ort

schreite jeder zur Tat!“

 

Doch das Volk tobt spontan,

schon von Reue gequält,

denn es hatte im Wahn

diesen Strohkopf gewählt.

 

Wie so oft trügt der Schein,

jedes Land kennt den Schmutz.

Sein Gewissen bleibt rein.

Er hat’s niemals benutzt.

(2018)

 

MANCHMAL

 

 

Manchmal

will ich einfach weg.

 

Manchmal

muss ich selber denken,

keiner Weisung folgen

ohne nachzufragen.

 

Manchmal

will ich nichts mehr müssen,

möcht mit Unvernunft dem

Alltagstrott entfliehen.

 

Manchmal

kann ich nicht mehr nett sein.

Restintelligenz kämpft

gegen Bürokraten.

 

Manchmal

will ich Wahrheit nicht mehr

nur auf Treu‘ und Glauben

aus den Medien kennen.

 

Manchmal

muss ich Chancen nutzen.

Wie ich lebe, ist kein

Dasein nur auf Probe.

 

Manchmal

liebe ich die Stille,

kann mich fallenlassen

in dem Spiel der Liebe.

 

Manchmal

möchte ich laut schreien.

Immer neu erwachsen

kriegerische Welten.

 

Manchmal

fühl ich Optimismus.

Neue Kraft lässt mich den

Sonnenschein genießen.

 

Manchmal

will ich einfach weg.

Ich hab’s nicht geglaubt

 

Diesem Land meiner Kindheit

galt mein blindes Vertrauen.

Es gab niemals die Absicht,

eine Mauer zu bauen.

                                               August Einundsechzig,

                                               der Freiheit beraubt –

                                               Ich wusst‘ es nicht besser,

                                               ich hab’s nicht geglaubt.

 

In dem Land meiner Kindheit

fühlte ich mich geborgen,

mit der Staatsmacht und Freunden,

Harmonie ohne Sorgen.

                                               Dann wurden Millionen

                                               von Akten entstaubt.

                                               Die Wahrheit schockierte.

Ich hab’s nicht geglaubt.

 

In das Land meiner Kindheit

flog der Herbst Neunundachtzig.

Ohne Geld und Vermögen

blieb die Freiheit beachtlich.

                                               Mein Häuschen, mein Land

                                               hat ein Geldsack geraubt.

                                               Er wird es vererben.

                                               Ich hab’s nicht geglaubt.

 

Dieses Land meiner Kindheit

will den Missbrauch nicht schonen.

Hat die Presse gelogen?

Gab es auch Korruptionen?

                                               Verletzungen schweigen.

                                               Ein Papst neigt sein Haupt.

Er kannte die Wahrheit.

Ich hab’s nicht geglaubt.

 

Doch im Land meiner Kindheit

wächst ein wildes Geschlecht.

Sie marschieren im Gleichschritt

auf der Suche nach Recht.

                                               Gewalt schreit der Pöbel.

Was noch? Überhaupt?

Es ächzt ganz Europa.

Ich hab’s nicht geglaubt.

 

In der Welt meiner Kindheit

wird der Erdball geschunden.

Klima außer Kontrolle.

Der Planet leckt die Wunden.

                                               Bei Fridays for Future

                                               ist Schwänzen erlaubt.

                                               Ein Kind muss erst mahnen?

                                               Ich hätt’s nicht geglaubt.

 

                                                                              (B.Z.29.03.19)

Nachtrag vom 24. Februar 2022

 

Im Vertrauen auf Freundschaft

blieb Gefahr unerkannt.

Doch im Wahn der Bedrohung

flucht ein Zar, selbst ernannt.

              Im Europa des Friedens,

wo sonst Waffen verstaubt,

tobt die Apokalypse.

Ich hätt’s nie geglaubt.

Mehr Optimismus und weniger Arroganz

 

Richtig?

Wichtig.

 

Wem ist denn schon bewusst, dass die Erde mit einer Geschwindigkeit von 27 000 km/h um die Sonne rast? 

 

Mit 27 000 km/h um die Sonne

 

Es flucht der Frosch im Grase

und quakt voller Ekstase:

„Die Sonne brennt zu böse,

Protest gilt ihrer Größe!

Das höchste aller Wesen

ist stets der Frosch gewesen!“

 

Er nimmt, das ist ganz richtig,

sein kleines Ego wichtig.

 

Da klebt er auf dem Erdball

und rast auf ihm durchs Weltall

rund um die Sonne brausend

mit sieb‘nundzwanzigtausend

an Stundenkilometern.

 

Was hilft dem Frosch das Zetern?

(B.Z. Jan 2019)

 

Unwichtig

 

Diskussionen folgerichtig

Leere Worte null und nichtig

Argumente schwergewichtig

Pro und contra falsch und richtig

 

Was geschah so uneinsichtig,

dass es diesen Streit entfachte?

 

 

Hin und wieder unaufrichtig

Glutdebatten eifersüchtig

Liebestraum funktionsuntüchtig

Hingehauchter Kuss nicht wichtig

 

Wessen Liebe wurde flüchtig,

dass die Lethargie erwachte?

 

 

Phrasendreschen undurchsichtig

Scheintermine keusch und züchtig

Immobilien steuerpflichtig

Weltenrettung kaum gewichtig

 

Was war denn so lebenswichtig,

dass es uns zu Fremden machte?

 

(B.Z. Mai 2019)

 

 

Margarine

 

 

Erst Margarine macht gesund,

so schallts aus jedem Kindermund.

Aus Pflanzenölen extrahiert

wird Margarine raffiniert,

entlecitiniert, eingeweicht,

entschleimt, entsäuert und gebleicht,

dazu gehärtet, fraktioniert

und ohne Gas desodoriert.

Was chemisch umgeestert hält,

wird nach pH-Wert eingestellt,

Milchsäure aromatisiert,

mit A, E, K vitamisiert.

Stabilisator muss noch sein,

Geschmack bringt etwas Salz hinein,

durch Joghurt kräftig fermentiert.

Zitronensäure konserviert

fast buttergelb gefärbte Creme,

zum Streichen extra angenehm,

ein Emulgator mitserviert,

Verdickungsmittel reingeschmiert,

verstärkt den sahnigen Geschmack,

es fehlte nur noch Ammoniak.

 

Was sagte meine Mutter?

„Da ess ich lieber Butter.“

 

 

(B.Z. August 2019)