Lesecafé
. . . Heute aktueller denn je . . .
TABU oder
Großmutters Vermächtnis
Erste Gedanken zum Buch
„Tabu oder Großmutters Vermächtnis“ will ein Zeitgemälde mit politisch-ethischem Anliegen sein, dessen Handlung im Rostock 2015 spielt. Es führt den Leser in bizarren Rückblenden vom Jahre 1857 über 1945 bis zur Gegenwart. Der Roman gehört zu einer ungewöhnlichen Form von Antikriegsliteratur, bei der keine Kriegshandlungen stattfinden. Doch er ruft die Leiden und den Schmerz der Mütter als „Kollateralschäden“ in Erinnerung, nach denen Geschichtsschreibung nicht fragt. Und er will provozieren.
Auf mehreren Handlungsebenen zeichnen sich Bedingungen für die Unergründlichkeiten menschlichen Handelns, die Entartung der Menschlichkeit und die verschiedenen Ebenen ihrer Opfer ab:
-
Prolog Uri Karoline/ Epilog Eva
-
Gretchen
-
Tagebuch der Großmutter
-
Ereignisse in Schlesien 1945
-
Professor Faust und die Enthüllungen der Mutter
-
Pandoras Mikrobe und die Schuld
-
Traumata, Depressionen, psychische Störungen
-
Katharinas Welt 2015
-
Enkelkind Friedrich
-
die Forschung und Wissenschaft des Psychiaters
-
Ausblick und Rahmung durch die beiden Gedichte „Wahnsinn“ und „Der Strom“
Die einzelnen Handlungsstränge, die über einen mehrfach geknüpften Spannungsbogen durch den ganzen Roman gezogen sind, dienen alle nur einem Ziel: Begreiflich machen des Unbegreiflichen in seinem aktuellen Zusammenhang. - Nachempfinden, um zu verhindern. Damit bewahrt die hochaktuelle Aussage des Textes seine Allgemeingültigkeit.
Das Thema und der Stoff des Romans warnen behutsam davor, dass die Emotionen der neuen Generation aus den Lehren aus der Vergangenheit nicht genug sensibilisiert werden. Die Welt ist wieder im Krieg, das Empfinden und Mitleid für Flüchtlinge gehen im Geheul des Wohlstands unter.
„Ihr Deutsche habt schon immer mehr auf Verbote statt Freiheit, auf Regeln und Vorschriften statt Eigenverantwortung, auf Verteufelung statt Aufklärung gesetzt!“
(S. 144)
BS-Verlag Rostock informiert über den Debütroman von Brigitte Zeplien
Flyer Katarina Stern.pdf
PDF-Dokument [178.5 KB]
"Der auf das Böse gerichtete Strahl kann auch einen Teil des gesunden Gewebes zerstören, wenn er von diensteifrigen und überehrgeizigen Dilettanten angesetzt wird. Und dann bricht das ganze System zusammen. Das wäre nicht die erste Erfahrung dieser Art in meinem Leben."
(S. 102)
Dr. Ulf Borgwardt (Universität Greifswald) beschreibt seine Eindrücke zum Debütroman der Autorin
Rezension Stern.pdf
PDF-Dokument [476.0 KB]
„Das Besondere an einem Traum ist, dass man mit hohem Kraftaufwand zu laufen anfängt, aber über-haupt nicht vorwärts kommt, dass man viel sagen will, aber dafür nicht genug Luft zum Atmen hat.“
(S. 107)
„Summa summarum, ein goldener Käfig. Das satte Vöglein darin kämpft nur dann verzweifelt gegen die Gitterstäbe, wenn es eine andere Freiheit kennengelernt hat. Oder wenn der Käfig zu eng wird für die wachsenden Flügel und es schwimmen statt fliegen soll, dachte Katharina.“
(S. 199)
"Jede Gesellschaft hat die Jugend, die sie verdient.
Wo hatte sie das schon einmal gelesen?"
(S. 238)
Auszug aus dem Brief des ehemaligen Klassenlehrers des Abiturjahrgangs 1968 der damaligen Erweiterten Oberschule „Georgi Dimitroff" Leipzig vom 28.07 2013
Dr. Hermann Koch (Deutsch und Geschichte),
heute 80-jährig:
Liebe Brigitte,
… Ihr Debütroman hat mich in vielfältiger Weise berührt: als Germanist, als Ihr ehemaliger Deutschlehrer, als Vater einer schwerstbehinderten Tochter und nicht zuletzt als ehemaliger DDR-Bürger mit seinen Erwartungen vor und Erfahrungen nach der Wendezeit …
Als Germanist, der sich besonders mit den Fachgebieten Lexikologie, Stilistik und den Feinheiten der Grammatik beschäftigt hat, spende ich Ihnen ein großes Lob für Reichtum, Vielfalt und Treffsicherheit der Wortwahl. Der (zeitweilige) Literaturlehrer sagt Ihnen ein Kompliment für die gelungene Form: die schwierige Verknüpfung protokollhafter Tagebuchform mit Handlung, die Verbindung von Handlung und Reflexion, die Verknüpfung von „Dichtung und Wahrheit" im Sinne Goethes, die Verknüpfung von autobiografischen Elementen mit Generellem. …
Meine Erfahrungen mit der „Wendezeit" waren anders als Ihre, mussten anders sein, da ich mit anderen Voraussetzungen in die „neue Zeit" ging. Ich war ja nur acht Jahre von 1964-1972 an das engstirnige Teilsystem der Volksbildung von Frau Honecker gebunden. Dem stehen sieben Jahre Herder-Institut, 20 Jahre Lehre an der Sektion Germanistik der Karl-Marx-Universität Leipzig, Vorlesungen für Kommunikations-theorie an Betriebsakademien, Seminare in internationalen Hochschulferienkursen, vier Jahre Lehrtätigkeit an der Kopernikus-Universität in Polen und nicht zuletzt der Umgang mit Studenten aus 34 verschiedenen Ländern gegenüber. Deshalb gab es bei mir den Desillusionierungsprozess wie bei Ihnen nicht. Ich hatte mir nie solche Illusionen über die westliche Welt gemacht. In Bezug auf meine individuellen Wunschvorstellung wurde ich aber nicht enttäuscht. Da ich alle meine Ersparnisse nach der Wende für Reisen kreuz und quer durch Europa verwendete, wurde ich bei meinen Vergleichen darin bestärkt, dass das Land mit den derzeit wünschens-wertesten gesellschaftlichen Zuständen für mich Österreich ist und auch in absehbarer Zeit bleibt: echte Freundlichkeit, Solidarität, viel gesellschaftliches Engagement, breit gefächerte kulturell-künstlerische Aktivität, vorzügliche Hotellerie und Gastronomie.
Traurig bin ich über den Niedergang der stolzen Leipziger Germanistik nach der Wende, die einst führend in ganz Deutschland war. Bei einigen gesamtdeutschen Konferenzen, an denen ich bis 1993 teilnehmen konnte, stellte ich fest, dass uns die westdeutschen Kollegen zwar in aktiven Fremdsprachenkenntnissen und im Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln überlegen waren, wir aber über das weitaus bessere Grundwissen verfügten. In Hamburg fragten mich Kollegen, warum wir „dummen Schafe" uns alles gefallen und überstülpen ließen. Sie hatten gehofft, einiges von uns übernehmen zu können.
Was die Zukunft betrifft, bin ich nicht ganz pessimistisch, aber ich sehe die gesellschaftliche und ökonomische Situation keineswegs zu positiv, wie sie die schwarz-gelbe Koalition hinstellt. Ich meine, dass das kapitalistische System die globalen Probleme der Gegenwart und Zukunft nicht lösen kann. Die richtige Gesellschaftsordnung muss noch geboren werden, aber ich habe kein Rezept dafür.
Dass die britischen Journalisten und Historiker Friedrich Engels zur umfassend gebildetsten Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts wählten und man sich wieder darauf besinnt, dass in den Feuerbachthesen und dem „Kapital" von Marx viel Weisheit steckt, macht mir ein wenig Hoffnung…
Anbei schicke ich Ihnen Ihr gezeichnetes System über den antiken Götterhimmel zurück. Es stammt ja aus einer Zeit, als es an den EOS den systematischen Kurs zur Weltgeschichte noch gab, kurz bevor ihn die unsägliche „Margot" durch Weisung abschaffte und durch eine Geschichtsbetrachtung ersetzte, die sich vorwiegend auf die Geschichte der Arbeiterbewegung stützte. Zur Ehre der Geschichtslehrer der EOS „Georgi Dimitroff" muss gesagt werden, dass sie gegen diese Einengung der Bildung protestierten, aber zur Antwort erhielten, dass es auf die Methodik der Geschichtsbetrachtung ankommt und die auch an der Geschichte von der Pariser Kommune bis zur Gegenwart erworben werden kann …
Mit herzlichen Grüßen …
Ihr Hermann Koch